Mein Weg zur Kunst
Johann Holzfeind Wieltschnig
Die ersten Zeichnungen von mir entstanden im Schulunterricht in Treffen und später in Görtschach. Eine klassische theoretische wie praktische Kunstausausbildung gab es in der Volksschule des Jugendheims Görtschach freilich nicht.
Als der um sechs Jahre ältere Reimund Wukounig als „Zögling Nr. 33" vom aufgelösten Erziehungsheim Harbach-Limmersach nach Görtschach wechselte, spannte Bruno Muck uns zusammen. Der Zeichenlehrer holte mich in den Zeichenraum, dessen Wände bereits mit größeren Arbeiten von Wukounig ausgestattet waren. Ich war fasziniert von seinem künstlerischen Können: Reimo hat einen Affen gemalt, den habe ich heute noch genau vor mir!
Der Grundstein für die spätere Karriere von Reimo Wukounig als auch von mir, dem „Zögling Nr. 44", war gelegt. Durch den großen Altersunterschied und den Umstand, dass die älteren Zöglinge ihre Zeit vornehmlich mit landwirtschaftlichen Arbeiten verbrachten, trafen wir uns fast nur im Zeichensaal.
Wukounig absolvierte von 1958 bis 1962 die Ortweinschule in Graz und studierte ab 1962 an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. So groß war mein Glück zwar nicht, aber bei der Frage nach der beruflichen Zukunft stand in Anbetracht meines Talents die Lehre zum Kirchenmaler und Restaurator im Raum. Ich erhielt bei Lukas Arnold in Klagenfurt und später bei Adolf Osterider, Professor für Bildnerische Gestaltung an der HTBLA Ortweinplatz in Graz, das technische Rüstzeug, auf dem ich später meine Malerkarriere aufbauen konnte. Die theoretische Ausbildung kam zu kurz, und für ein Kunststudium fehlte der richtige Mentor. Zwar wollte in der Berufsschule ein Lehrer einen Antrag an die Akademie schreiben, dazu ist es aber nie gekommen.
Etwas an theoretischem Wissen und Kunstgeschichte holte ich später nach, so gut es möglich war. Es war Reimo Wukounig, den ich in den 1990ern traf. Mein Vorbild und Ex-Zögling, wurde für mich und meiner Frau Liane zum Privatlehrer. Von ihm habe ich so viel gelernt, dass ich mich fachlich etwas ausdrücken kann.
Ich lernte durch die eigene Anschauung von Originalen in Ausstellungen, bei Kunstaktionen sowie dem Studium von Künstlerbiografien und Ausstellungskatalogen und durch Gespräche mit Künstlerkollegen und Kolleginnen.
Es war ein Aufsaugen wie bei einem Schwamm.
Teilweise waren es unbewusste Vorgänge, manch mal epigonale Versuche und gelegentlich nur nachträgliche Zuschreibungen, wie etwa eine attestierte Ähnlichkeit mit Arbeiten von Peter Krawagna. Dessen figurativ-abstrakte Ambivalenz ist auch bei mir auszumachen, aber es war ein unbewusster Akt: Ich habe mich ebenso wie Krawagna reduziert! Der schnelle, dichte Bogenstrich wiederum erinnert an den von Arnulf Rainer. Diesen Vergleich lasse ich mir gefallen: Ich habe einen Strich wie Arnulf Rainer!
Längstens mit Hermann Nitschs Schüttbilder löste sich bei mir die Strenge. Der ganze Mensch wird Teil der Kunst, und das Ausrinnen der Farben wird als konzeptionell gewünschter Zufall eingesetzt. Bei Günter Brus schätzt ich die Zeichenfülle, bei Valentin Oman die Technik der Schichtung, und dann gibt es neben Reimo Wukounig noch Wolfgang Walkensteiner, Viktor Rogy, Cornelius Kolig und einige andere mehr, die mich als Menschen und als Künstler weitergebracht haben.